Rückblick

34. Pole Poppenspäler Tage 2017

Sag mal geht's noch?
Theater auf der Zitadelle, Berlin

Wolf, Witz und viele Worte Berliner Theater auf der Zitadelle zeigte zum Auftakt der Pole Poppenspäler Tage eine herzerfrischende Märchenkomödie Das kann ja heiter werden, wenn das Altwerden so turbulent verläuft wie im Seniorenheim „Zum Sonnenschein“. Wird es aber wohl nicht, denn schließlich haben wir es bei „Sag mal, geht’s noch? – Die Berliner Stadtmusikanten Teil 2“ mit einem Märchen zu tun. Allerdings mit keinem gewöhnlichen. Denn auch wenn es eine Moral haben soll, ist es doch zuallererst eine herzerfrischende Komödie, mit der das Berliner Theater auf der Zitadelle am Freitagabend in der Herman-Tast-Schule den offiziellen Auftakt des 34. Internationalen Figurentheater Festivals gestaltete. Und das wird das Kulturleben der Stadt noch bis zum kommenden Sonntag beherrschen. Dass man an diesem Abend wird viel lachen können, versprechen schon die pointierten Bemerkungen von Ruth Zimmermann, die das Festival zusammen mit Birgit Empen, ihrer Vorstandskollegin vom Pole Poppenspäler Förderkreis, und Bürgermeister Uwe Schmitz eröffnete. Auch der Rathaus-Chef sagte ein paar launige Sätze. Diesen hier aber meinte er besonders ernst: „Kultur in Husum funktioniert nur durch das Ehrenamt“, weshalb er noch schnell eine tiefe Verbeugung vor den Verantwortlichen machte. Gleich mehrere davon gestattete das begeisterte Publikum nach gut 80 Minuten auch den Figurenspielern Regina und Daniel Wagner, die nicht nur ihre Puppen leben uns sprechen ließen, sondern selbst noch die fiesen Altenheimpfleger mimten, die die Berliner Stadtmusikanten um ihr Hab und Gut bringen wollten. Berliner Stadtmusikanten? Ja, ganz richtig, Esel, Hund, Katze und Hahn sind hier Frau Kuh, Herr Wolf, Frau Katze und Herr Spatz. Das Theater mit Regisseur Pierre Schäfer hat die Handlung in ein Seniorenheim ins Brandenburgische verlegt. Das tierische Quartett bekommt es an seinem Lebensabend außer mit dem räuberischen Personal auch noch mit einem ebensolchen Fuchs, zwei Schafen und einem Hasen zu tun. Doch was Schwester Gisela und Pfleger Eugen ihren Schützlingen abknöpfen, sind Peanuts, gemessen am millionenschweren Blauen Diamanten, um den sich die Geschichte eigentlich dreht. Es sind die vielen Überraschungen, die das Stück ausmachen. Die ungewohnten Charaktere der Figuren, die viel Ironie erzeugen. Weil der Wolf ausnahmsweise ein ganz lieber ist, der dem Hasen auch mal, ganz rührend, mit einem netten „Süß!“ die Wange streichelt, während ein Schaf den Kleinen – auf Geheiß des Fuchses, muss man wissen – im Lauf des Geschehens totbeißt. Okay, das klingt jetzt nicht so lustig, ist jedoch gemessen an Grimmschen Grausamkeitsstandards auch nichts, was einen umhauen muss. Ein kurzes „Huch!“ im Publikum, dann darf auch gleich wieder gelacht werden. Es ist auch die einfallsreiche Führung der Figuren, die gefällt, eine stellenweise grandiose musikalische Untermalung und vor allen Dingen ganz, ganz viel Wortwitz, mit dem die Berliner ihre Interpretation des Stoffes gespielt haben. Und das Erstaunliche dabei: Selbst abgedroschen wirkende Kalauer funktionieren plötzlich, zum Beispiel, wenn Pfleger Eugen Frau Kuh, deren Stimme man sich wie jene von Loriots TV-Elefanten Wendelin vorstellen muss, empfiehlt: „Lassen Sie mal ein paar Milchprodukte weg“ – nachdem er ihr den Cholesterinspiegel vors Gesicht gehalten hat. Ach ja, apropos Kalauer die werden hier zu Ku(h)lauern. Die Kodderschnauze tut ihr Übriges – selbst bei der Buchstabenreduzierten schwäbischen Redewendung „Schafe, Schafe, Häusle baue“. Die Berliner Stadtmusikanten erreichen ihr Ziel nicht – da bleibt das Stück an der Vorlage. Vom Shoppen auf dem Ku(h)damm darf trotzdem geträumt werden. Am Ende kassieren sie Finderlohn für den Diamanten, den sie nicht etwa selbst zu Geld machen, obwohl das ein Vielfaches bringen würde. Gut Bescheidenheit ist also die Moral. Aber bei vier Millionen ist es ja leicht, sich zu bescheiden. (Hagen Wohlfahrt Husumer Nachrichten vom 25.09.2017)