Rückblick

32. Pole Poppenspäler Tage 2015

Dr. Johannes Faust
Hohenloher Figurentheater, Herschbach

Das erste Spiel der diesjährigen Pole Poppenspäler Tage war etwas ganz Besonderes. Exklusiv zum 100. Geburtstag ihres Schöpfers Till de Kock kehrten die Stabfiguren des Spiels aus dem Ruhestand im Museum für PuppentheaterKultur in Bad Kreuznach auf die Bühne zurück. In ihrer Einführung ließ Dr. Astrid Fülbier die literarische und theaterwissenschaftlich Geschichte kurz Revue passieren: Bereits 1587 erschien die erste literarische Darstellung des Faust im Spiesschen Volksbuch: Die „Historia von D. Johann Fausten“. Davon angeregt verfasste Christopher Marlowe (1564 – 1593) 1589 das Drama „The Tragicall History of the Life and Death of Doctor Faustus“. Marlowes Drama wurde um 1600 von englischen Schauspielergruppen nach Deutschland gebracht, von deutschen Wanderbühnen übernommen und im gesamten deutschen Sprachraum aufgeführt – auch mit Marionetten, Handpuppen und Schattenspielfiguren. In den folgenden Jahrhunderten gab es immer wieder neue Dramatisierungen des offenbar faszinierenden Stoffes. Der Wiener Schau- und Puppenspieler Josef Anton Stranitzky schließlich führte 1725 in seiner Faust-Dramatisierung die Figur des Hanswurst ein. Stranitzkys Werk war u.a. auch wegweisend für Karl Simrock, der 1846 seine Version des Faust veröffentlichte, die dann ihren Siegeszug auf den deutschen Puppenbühnen antrat. Zu diesem Zeitpunkt, im 19. Jahrhundert, waren auch schon die Vorfahren von Johanna und Harald Sperlich als Figurenspieler unterwegs. Beide Spieler stammen ja aus Puppenspielerdynastien. Seit 1974 spielen sie als „Hohenloher Figurentheater“ zusammen. Sie hatten also im vergangenen Jahr ihr 40jähriges Bühnenjubiläum und sind in Husum bestens bekannt. Ihr erstes Abendstück für Erwachsene war Ende der 1980er Jahre der „Faust“. Und hier nicht irgendeine Ausgabe, sondern die, die ein Verwandter, der Puppenspieler Lutz Werner Bille aus Sachsen, bewahrte und bis Anfang der 80er Jahre spielte. 20 Jahre zuvor hatte Harald Sperlich die ersten eigenen Holzköpfe erworben: Hohnsteiner aus dem Versandhandel Fähre 7 der „Hamburger Hohnsteiner“ Anni und Friedrich Arndt. Durch die Empfehlung des Puppenspielers Fred Bille erfuhr er von Till de Kock. 1969 bestellte er bei ihm die ersten Figuren. Der gebürtige Belgier Till de Kock lebte und arbeitete von 1945 bis 1960 in Schleswig-Holstein, danach bei Bad Lauterberg im Harz. Als Dr. Fülbier ihn dort 1994 für ihre Forschungsarbeiten über das Handpuppen- und Marionettentheater in Schleswig-Holstein interviewen konnte, hörte sie erstmals von „meinem Freund Harald Sperlich“. Und hier schließt sich der Kreis zwischen einem uralten Spielstoff, einer renommierten Bühne, einem legendären Figurenschnitzer und den Pole Poppenspäler Tagen, bei denen Frau Dr. Fülbier seit über zehn Jahren mitarbeitet. Die Aufführung bleibt auch wegen der exzellenten Figurenführung und der beeindruckenden Stimmpräsenz von Johanna und Harald Sperlich in bleibender Erinnerung.