Rückblick

29. Pole Poppenspäler Tage 2012

Tatort Husum
Birgit Empen, Brigitte Peters, Pole Poppenspäler Förderkreis e. V. , Husum

Die Stadtführung verhieß eine Entdeckung von Plätzen und Orten, an denen in der Literatur und in der Realität grausige Taten vollbracht wurden. Doch Birgit Empen fasste den Begriff weiter: Sie begann im Schlosshof unter der Kastanie mit einer Schilderung aus den Jugenderinnerungen Franziska zu Reventlows. Das freiheitsliebende Kind wuchs hier unter der strengen Aufsicht der Eltern zu einer emanzipierten Frau heran, die dann um die Jahrhundertwende als „Schwabinger Gräfin“ in München von sich reden machte, ihren Lebensunterhalt u.a. als anerkannte Übersetzerin verdiente und schließlich verarmt in der Schweiz starb. Ihre Eltern begegneten ihrer Aufsässigkeit mit Schlägen und Freiheitsentzug – das Schloss als Tatort häuslicher Gewalt. Weiter ging es zur Neustadt. Sie war seit dem Mittelalter Schauplatz großer Viehauftriebe. Ein Teil der Tiere wurde über Tönning nach England verschifft oder per Bahn in die Ballungsgebiete Deutschlands verschickt. Wie bei fast allen großen Ansammlungen von Menschen war das Zusammensein nicht nur friedlich – Betrügereien, Saufgelage, Sachbeschädigungen und Diebstähle sind für diesen Tatort verzeichnet. Nicht weit entfernt am Hafen war die dritte Station des Rundganges. Birgit Empen berichtete vom „Zuckerschiff“, einem Frachtensegler, der bei Uelvesbüll in Seenot geriet und sank. Im Kleiboden der Gegend lag er bis ins 20. Jahrhundert unentdeckt. Nach der Bergung musste er zügig konserviert werden. Als besonders preisgünstige Lösung wählte man, nach Rücksprache mit dem Denkmalamt, eine hochprozentige Zuckerlösung, die das in den Holzzellen gebundene Wasser verdrängte. Das Schiff kann auch als Symbol für den Tatort Strandraub verstanden werden – oder als Hinweis auf mehr oder weniger berühmte Menschen, die aus Husum aufbrachen, ihr Glück in der Welt zu machen, wie Max Gottschalk, der „Robin Hood der Behringstraße“. Der nächste Tatort findet sich in der berühmten Novelle „Pole Poppenspäler“ von Theodor Storm. Es ist der Schützenhof, in dem die Familie Tendler ihre Bühne aufschlägt und wo der kleine Paul den Kasper der Puppenspielerfamilie so beschädigt, dass der nachfolgende Auftritt für die Künstler zum Fiasko wird. Tatort eines Unglücks also. Ein weiterer Tatort war das Haus des Henkers. Die Familie lebte vor den damaligen Toren Husums und wurde von „anständigen Leuten“ gemieden, obwohl sie zur Aufrechterhaltung der Ordnung durch den Vollzug der gerichtlichen Urteile beitrug: Ein Tatort gesellschaftlicher Ächtung. Zum Abschluss ging es dann wieder in den Schlosshof für eine Lesung aus einem Krimibuch, das Husum ins Zentrum stellt - und diesmal ging es wirklich à la Fernsehtatort um Mord und Totschlag.