29. Pole Poppenspäler Tage 2012
Lapekoer
Etalagetheater Leeuwarden, Niederlande
Am Vorabend der Eröffnung des diesjährigen Pole Popenspäler Festivals präsentierten die VeranstalterInnen âauf Anregung des Nordfriisk Instituutâ das Etalagentheater Leeuwarden, Westfriesland.
âLapekoerâ bedeutet auf Friesisch Flickenkorb oder, leicht auch im Deutschen verständlich, Lappenkorb. So waren im ersten Teil, dem Spiel von Hera und Zeus, des griechischen Götterpaares die Figuren fantasievoll und beinah schwebend, ohne feste Körperkonturen bunte Lappen auf Holzgestellen mit ausdrucksvollen Gesichtern und groÃen Augen. âDie Kuh Io als Geliebte von Zeusâ nannte der Spieler und Sprecher Haye Bijlstra sein Spiel, in dem der Donnergott Zeus die schöne Meerfrau Io verführt und â um sie dem Zorn seiner Frau und Schwester Hera zu entziehen, in eine Kuh verwandelt.
Fortan ward Zeus nur noch einmal kurz gesehen, dafür aber Argus mit seinen hundert Augen, ein urtümliches, flieÃendes Geschöpf, das nun im Auftrag von Hera, in leuchtend goldgelbem Gewand mit flammend rotem Haar, die Kuh bewachen soll. Auf Anweisung seines Vaters Zeus tötet der Götterbote Hermes das Augenwesen, was Hera zu einer bewegenden Klage veranlasst. Ãhnlich, wie zu Anfang die schöne, in blaue Schleier gehüllte Prinzessin Io mit ihrem Tanz im Rhythmus der Wellen bezauberte, nimmt nun die Klage der betrogenen Hera und ihre Trauer um das ihr ergebene Wesen mit den Argusaugen einen als Zuschauerin gefangen und rührt zu Tränen.
SchlieÃlich taucht ein groÃer, blauer Vogel auf, dem Hera die Augen des Argus schenkt, er entfaltet stolz seinen damit geschmückten Schwanz und entschwindet. Doch Hera gibt nicht auf, sie schickt eine Hornisse, um die Kuh in den Wahnsinn zu treiben, diese flieht nach Ãgypten, so die griechische Sage.
Schon seit dem 19. Jahrhundert weià man, dass die Sagen des Altertums historische Kerne in sich tragen und unter anderem den Ãbergang vom Matriarchat zum Patriarchat beschreiben. So waren in den frühen Gesellschaften Familien über die Bruder â Schwester Beziehung gegründet, Frauen bestimmten ihre sexuellen Wünsche selbst und die Väter ihrer Kinder.
In der späteren, patriachalen Umdeutung wird vor allem das Götterpaar Hera â Zeus zu einem Gespann, in dem der âGöttervaterâ alle Rechte hat, jede sich ihm bietende, sexuelle Gelegenheit mit List und manchmal Gewalt wahrnimmt und Hera hat die Rolle der vergeblich ihr Recht einklagende und oftmals als zänkisch dargestellten Frau.
Ob das dargebotene Spiel für diesen Zusammenhang transparent war, erschloà sich ohne Kenntnis des Friesischen leider nicht. Ebenso war der zweite Teil, die Erzählung über Jan Hepkes Wouda, einen friesischen Fantasten und historische Figur aus dem Dorf Surhuisterveen in seinen grotesken Gesten und volkstümlich dargestellten, wortreichen Dialogen, nur wenigen Zuschauern in ihrem Witz verständlich. Es bleibt nur die Erklärung des Theaters im eigenen Programmheft: âHauptthema waren Fischerlatein und die grosse Frage: kann Jan eigentlich eine Frau finden, oderâ¦? Jan hätte lieber seine Ruhe mit Tjitske in dem Haus seiner Jugend, nahm aber doch die Wette an: nächste Woche würde er mit einer Frau in Surhuisterveen sein, die eine feste Beziehung mit ihm haben will. Oder mindestens tut sie so.â
Irene Fröhlich