28. Pole Poppenspäler Tage 2011
Gesänge der Wale
Figurentheater Raphael Mürle, Pforzheim
Ein besonderes Highlight der diesjährigen Pole Poppenspäler Tage war sicherlich die Aufführung von âGesänge der Waleâ von Raphael Mürle.
Dieser Abend war der im letzten Jahr verstorbenen Frau Antje Fischer gewidmet, die über 20 Jahre so viel Positives und Wichtiges im Rahmen des Husumer Pole Poppenspäler Förderkreises geleistet hat.
In ihrem Angedenken wurde dieses Stück nach einigen Jahren erneut gespielt, denn sie hatte es besonders gern. Dies ist kein Wunder, denn sie war auch engagierte Naturschützerin und hat sich z.B. für das Wattenmeer eingesetzt.
So war auch der Spielort sehr passend gewählt, denn das Multimar Wattforum in Tönning bot einen würdigen und faszinierenden Rahmen für gerade dieses Stück. Das Ambiente mit seinen vielen schillernden Aquarien, die aus dem Dunkel der großzügigen Räume heraus schimmerten, und die Anwesenheit der verschiedenartigsten Meereskreaturen und ihrer hier sehr sensibel und naturnah in Szene gesetzten Lebensräume stimmte auf geheimnisvolle Weise auf das folgende Spiel ein.
Bevor das Stück anfing, senkte sich die Abendsonne über der nahe gelegenen Nordsee und diese besondere Stimmung schien sich auf die erwartungsfrohen Besucher drinnen im Wattforum zu übertragen.
Auf leise und subtile Art entspann sich auf der komplett dunklen Bühne die ganze Größe und geheimnisvolle Welt der Meere.
Nur eine menschliche Stimme führte in ruhiger und bedeutsamer Weise durch den Abend.
In szenischen Akten, die einander ergänzten und erweiterten, sahen wir wunderbare Wale auf und abtauchen, die Ozeane dieses Globus umspannen, begleitet von ihren melancholisch wirkenden Gesängen. Gerade dieser Blick aus der Ferne auf unseren blauen Planeten verdeutlichte beinahe schmerzlich, welchen Stellenwert diese würdigen, friedlichen Riesen einst gehabt haben müssen, in einer Zeit, lange bevor der Mensch auf den Plan trat.
Raphael Mürle, selbst quasi unsichtbar, stellt immer wieder den Zusammenhang zwischen den Anfängen der Menschheit und der Schöpfung her, zeigt wie unheimlich und fremd uns der Lebensraum des Meeres geworden ist, wie weit wir uns von dem Lebensraum, aus dem wir selbst entstanden sind, entfernt haben.
Ein riesiges Fischmädchen umwirbt spielerisch einen Ruderer in einem kleinen Boot, dieser versteht nicht, und flieht vor der scheinbar übermächtigen Gefahr. Er weiß die grenzübergreifende Begegnung zweier Arten und Welten nicht zu schätzen. Der Angehörige eines Naturvolkes hingegen sitzt am Ufer des Meeres und begleitet sich mit rhythmischem Gesang bei seiner eigenen Walwerdung. Ein Mensch wie er ist es auch, der einen gestrandeten Wal im Tode begleitet, zerrissen von Schmerz und glücklicher Vereinigung.
Die Darstellung der Welt der Wale durch Raphael Mürle wird ganzheitlich verkörpert. Ob als âlebendigerâ Wal, als schwebendes Walskelett oder als Walembryo, der dem Menschen in einem Stadium verblüffend ähnelt, das Stück liefert viele Informationen über die Wale und bietet zugleich einen hoch emotionalen Ansatz.
Raphael Mürle zeigt auf, dass der Mensch sich nicht nur von seinem Ursprung entfernt hat, sondern durch sein Unverständnis und seine Lebensweise bereit ist, diesen anderen, so viel älteren Geschöpfen tödlich gefährlich zu werden. Der Gedanke liegt dabei nahe, dass der Mensch schließlich auch an seinem eigenen Ast sägt. Dabei waren die Wale als Säuger doch vom Land ins Wasser zurück gekehrt und haben vielleicht auch ein Stückchen unserer Welt wieder ins Meer zurück getragenâ¦
Im Anschluß blieben viele Zuschauer noch, um an einer Führung durch das Multimar Wattforum teil zu nehmen. Außer einem kurzem Vortrag über die Meeresriesen gaben gleich mehrere Mitarbeiter den Besuchern Gelegenheit, sich zu informieren und sogar sehr spezielle Fragen z.B. zum heutigen Walfang, zum Walschutz etc. zu stellen.
Astrid Berger und Nicola Fischbach