25. Pole Poppenspäler Tage 2008
Hans im Glück
Figurentheater Fährbetrieb, Herisau, Schweiz
Macht Reichtum glücklich?
Während der Pole Poppenspäler-Tage wurde uns großen und kleinen Menschen ab 5 Jahren eine Alternative, sowohl vom Grimm´schen Märchen Hans im Glück als auch von der Darstellungsform her, angeboten. Eine Neuentdeckung der Langsamkeit, der Ruhe und der Wiederholungen. Dies auszuhalten fällt jedoch dem einen oder anderen schwer, sind wir doch auf ein Mehr, ein Schneller und Immer Grandioser (auch in der materiellen Ausstattung von Puppenspielern) gepolt.
Der Lehrjunge Hans erhält nach sieben Jahren und der Fertigstellung seines Gesellenstückes bei einem renommierten Schweizer Uhrmacher einen großen Klumpen Gold für seine Leistung. Dankbar und glücklich zieht er nach Hause zu seiner Mutter. Auf dem Wege tauscht er seinen Lohn gegen ein Pferd, dann das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und schließlich, da Handwerk ja einen goldenen Boden hat die Gans gegen einen Schleifstein. Tauschen macht Spaß und es gibt immer wieder einen neuen positiven Aspekt, den der Hans in seinem Tauschgeschäft erkennt. Als der Schleifstein ihm dann in den Brunnen fällt und er ohne materiellen Gewinn da steht, ist Hans der reichste Mensch auf Erden.
Er ist reich an Lebenserfahrungen, an Erinnerungen und Geschichten, die er zu Hause erzählen kann. Hans ist so beschwingt und zufrieden, dass er freudig in sein Elternhaus zurück kehren kann. Machen nun Lebenserfahrungen und Begegnungen reich? Hans hat viele Menschen getroffen und mit ihnen Zeit geteilt. Da war zuerst der Uhrmachermeister mit dem er sieben Jahre Zeit geteilt hat, dann der Pferdebesitzer, der Landwirt, der Schweinebauer, der Gänsehirte und der Scherenschleifer. Immer fand eine Begegnung statt, Menschen, die Hans´ Lebensweg kreuzen. Doch sein Glück war nicht abhängig von den Tauschwaren, die er hatte. Er konnte immer etwas Gutes am Tausch sehen!
Kommt es auf die Sichtweise an?
Und dieses Lebensgefühl, sich Zeit zu nehmen und gemeinsam Zeit zu teilen, wurde für die Zuschauer erfahrbar, die sich im Nordsee-Museum auf das einfühlsame und ruhige Spiel von Kurt Fröhlich einlassen konnten und nicht immer neue Action benötigten, um Hans in diesen knapp 60 Minuten auf seinem Lebensweg zu begleiten.
Wer sich auf die heitere Appenzeller Streichmusik mit jauchzendem Jazz-Saxophon, Hackbrett und Naturjodeln des Puppenspielers einlassen konnte, während eine Rathausuhr im Hintergrund die Momente zählte im großen Getriebe der Welt - , der spürte, wie eine Last nach der anderen abfiel und den Kopf für Neues frei machte und er selbst für einen Moment zu sich selbst finden konnte.
Wer sich nicht in das gelassene Spiel, die immer wiederkehrende Melodie und die fünf Tauschgeschäfte einfühlen konnte, musste zumindest fasziniert sein von der Technik der großen Uhr, so wie sie neben Schweizern höchstens noch Schwarzwälder bauen können, von dem Laufband der Welt mit Bäumen, Häusern, Menschen und am Ende gar dem Abbild des Sensemanns, die immer wieder vom Lebensband auf den Kopf gestellt wurden.
Zeit und Lebenszeit zu visualisieren und greifbar zu machen, ist Kurt Fröhlich hervorragend gelungen. Aber auch die Gegenströmung, also gegen den Uhrzeiger in Bewegung aktiv zu werden und nicht mit dem Strom auf dem Laufband zu gehen, wurde immer deutlicher. Sein Spiel hob sich von der Masse an Reißertiteln nach Kinderbuchvorlagen in diesem Festival ab, wobei nicht nur die Erwachsenen fasziniert waren, sondern insbesondere auch Jungen zur Ruhe kamen und durch die Uhr in den Spielbann gezogen wurden. Dazu trugen auch die von Kurt Fröhlich geschnitzten Tischfiguren bei, die gerne nach dem Spiel von Groß und Klein bewundert wurden.
Nach diesem Spiel bleibt noch eine Frage offen. Brauchen wir wirklich in Zeiten von Börsenabstürzen und Bankpleiten unser Aktiendepot noch, das uns schlaflose Nächte bereitet? Oder können wir glücklich sein, dieses los zu werden?
Beate Brand