Rückblick

24. Pole Poppenspäler Tage 2007

Unterwegs mit
Pole Poppenspäler

Dorftheater Siemitz, Poppenspäler Frauen

Unterwegs mit Pole Poppenspäler An einem nach grauen Regentagen unerwartet sonnigen Spätsommertag eröffnete das 24. Puppenspiel Festival in Husum am 22. September sein Programm mit einem Spaziergang auf den Spuren von Theodor Storms „Pole Poppenspäler“. Stadtführerin Birgit Empen führte die Besucher, die sich alsbald von Regenmänteln und Jacken trennten, vom Poppenspäler-Museum zur bronzenen Puppenspieler-Figur vor der Bürgerschule, wies darauf hin, dass sie - anders als die Hauptperson in der Novelle von Storm - leider keine Marionette, sondern eine Handpuppe in Händen halte und dass „Paul Puppenspieler“ ursprünglich als Schimpf- und Spottname gedacht war. Dann führte die Märchenerzählerin Marlene Friedrichsen ein in die Geschichte des geachteten Kunstdrechslers und Mechanikus Paul Paulsen, der wegen seiner Liebe zu Lisei, der Tochter des Puppenspielers Joseph Tendler, als „Pole Poppenspäler“ beschimpft wurde. Sie las vor, wie der Puppenspieler mit Frau und Tochter in die kleine norddeutsche Stadt und das Leben des damals 12 Jahre alten Paul einzog. Nächster Halt war vor dem ehemaligen Schützenhof in der Süderstrasse, wo die Tendlers das Puppenspiel „Der Pfalzgraf Siegfried und die heilige Genoveva“ aufgeführt und den kleinen Paul verzaubert haben. Doch als das Repertoire der Tendlers abgespielt ist, endet Pauls intensive Freundschaft mit Lisei, bis er sie 12 Jahre später unter widrigen Umständen in einer mitteldeutschen Kleinstadt zufällig wieder trifft. Die beiden heiraten. Der inzwischen verwitwete Vater zieht mit ihnen in Pauls norddeutsche Heimatstadt und möchte schließlich doch noch eine letzte Vorstellung geben. Was da passiert, erzählt und liest Marlene Friedrichsen im Hof des Theodor-Storm-Zentrums in der Wasserreihe so eindrücklich, dass einem das Schicksal des alten Puppenspielers, der die vorzeitig beendete Vorstellung als gebrochener Mann verlässt, richtig nahe ging. Man dachte nach über den Niedergang der Wanderpuppenspiel-Zunft im 19. Jahrhundert, seine Wiederauferstehung im 20. und die „Pole Poppenspäler Tage“ in Husum schienen einem plötzlich wie eine späte Wiedergutmachung für das Unrecht an Joseph Tendler. Ein Besuch in Storms „Dichterstübchen“, wo die Novelle in wenigen Wochen um die Jahreswende 1873/74 entstanden war, folgte. Anschließend ging es zur Aufführung des „Froschkönigs“ vor dem Poppenspälerwagen am Zingel, wo etliche Kinder und Sabine Zinnecker im Clowns-Kostüm bereits auf die Spaziergänger warteten. Der Froschkönig Ob in einem Frosch ein verwunschener König steckt oder nicht, ist dank Sabine Zinneckers hinreißender Umsetzung des Grimmschen Märchens nicht länger Geheimnis. Wenn er nur quakt, ist er – ganz klar – ein Frosch. Wenn er sich aber auch noch mit einem schmelzenden Liebeslied ins Herz schmeicheln kann, ja, dann ist er ein König. Die Verwandlungskünstlerin im Clowns-Kostüm spielt mit unseren Erwartungen. Zum Auftakt ergreift sie ein Saxophon, bläst mit aller Kraft hinein, doch nichts passiert, bis sie nach mehreren Anläufen einen Frosch aus dem Instrument schüttelt. Und der will Sabines Lieblingsmärchen nun miterzählen. Zum Glück, denn die will uns weis machen, dass das Märchen zu Ende ist, als die schöne Königstochter mit ihrer vom Frosch gegen das bekannte Versprechen aus dem Brunnen wieder geholten goldenen Kugel davon eilt. Protest. Auch bei den Zuschauern – und so setzt sich die Spielerin einen Hut auf den Kopf, auf dessen Krempe die sechs Schwestern – darunter die Kleckernde und die Meckernde – genüsslich königliche Spaghetti mit königlicher Tomaten-Soße verzehren und kräftig über den abwesenden Liebling des Königs lästern. Die Puppenspielerin aber fordert Applaus für „die Königstochter jüngste, die wie immer zu spät kommt!“ Und wären die neidischen Schwestern nicht so gemein, ihr nichts vom Essen mehr abgeben zu wollen, wäre diese wohl nie so nett zu dem Frosch gewesen, der bereits die Stufen im Schloss erklommen und zur Mandoline sein herrliches Liebeslied gesungen hat. Doch als der auf der Einhaltung des ganzen Versprechens besteht, was ja leider auch Papa König verlangt, reißt ihr der Geduldsfaden. Sie knallt ihn zu Boden und der Frosch ist erstmal weg! Was der Prinzessin auch wieder nicht recht ist. Trockener Kommentar: „Typisch Mädchen! Erst macht sie ihn kaputt, dann ist sie traurig!“ Zum glücklichen Ende aber folgt doch noch die Verwandlung zum König. Die beiden futtern vergnügt unter der Bettdecke Kekse und in der Hochzeitskutsche dürfen dem getreuen Diener Heinrich schließlich auch noch die Reifen vom Herzen springen, mit denen er es aus Kummer über die Verzauberung seines Herrn geschützt hat. In dieser immer wieder überraschenden, temperamentvollen Inszenierung vom Dorftheater Siemitz, die Clownerien, Puppenspiel und Musik miteinander verbindet, verzaubert Sabine Zinnecker ihr Publikum durch ständige Verwandlungen und bringt das Kunststück fertig, mit ihrer herrlichen Gesangsstimme bereits im Frosch den König zu zeigen. Sie holt die Kinder da ab, wo sie sich auskennen, verwendet eine Sprache, die sie verstehen, zeigt Situationen, die sie aus eigener Erfahrung nachvollziehen können. Sie lässt sie lachen, wenn sie verzweifelt nach der Mandoline auf ihrem Rücken sucht, sich von ihnen helfen, wenn sie in einen Zuber getappt ist und allein nicht wieder herauskommt. Dabei kommt sie auch in der Ausstattung mit einfachsten Mitteln aus: die Gesichter des künftige Königspaars sind auf die Hände, die Körper auf die Unterarme gemalt bzw. gebunden; Papa Königs Krone besteht aus einem flachen Nachttopf, der andererseits auch die Sonne darstellt. Der Wald ist auf einen Schirm gezeichnet, die königliche Tafel auf einen Hut montiert. Für Musik und Regie dieser rundum gelungenen Vorstellung von und mit Sabine Zinnecker war Dietmar Staskowiak verantwortlich.

Uta Beth